Ghosting im Recruiting: Wenn Bewerber sich quasi in Luft auflösen

Ghosting: Vier Stühle stehen nebeneinander. Links sitzt ein Mann und schaut auf den leeren Stuhl rechts neben sich. Über dem leeren Stuhl ist an der Wand ein Fragezeichnen gezeichnet. Auf den anderen beiden Stühlen sitzen ein Mann und eine Frau.

Sie haben zahlreiche, aussichtsreiche Kandidaten, doch diese sind plötzlich nicht mehr erreichbar. Kennen Sie das? So können Sie mit dem „Ghosting“ umgehen.

Wenn Menschen zu Geistern werden

Die Kaffeemaschine läuft, der Besprechungsraum ist hergerichtet und Ihr HR-Team sitzt gespannt zusammen. Eigentlich sollte gerade ein Bewerber vor Ihnen sein – doch der Platz ist leer und bleibt es für heute auch. Der Kandidat erscheint nicht. Er schickt keine Absage und auf Ihre Anrufe reagiert er nicht.

Was einst aus der Dating-Welt kam, gehört heute auch zur Realität des Recruitings: Ghosting. „Ghosting ist kein vereinzeltes Phänomen, sondern eine Erfahrung, die Personalverantwortliche immer häufiger machen“, erklärt Diana Fautz. Die langjährige Mitarbeiterin in der internen HR-Abteilung von Ratbacher weiter: „Stundenlange Vorbereitungen für Stellenanzeigen, Gespräche per Mail oder am Telefon, aufwändige Terminabstimmungen mit Fachabteilungen, vielleicht sogar ein Vorgespräch mit dem CEO – führen dann manchmal ins Leere.“

Diese Funkstille kostet Unternehmen viel Zeit und Geld. Zudem können die wortlosen Abgänge, besonders wenn sie häufig auftreten, die Motivation in einem HR-Team senken.
 

Warum Bewerber sich nicht mehr melden

Ghosting scheint ein gesellschaftlicher Spiegel unserer Zeit zu sein. Schnell, unverbindlich, überladen mit Möglichkeiten – so ist das moderne Leben. In einem Markt, in dem sich gute Fachkräfte ihre Jobs aussuchen können, verändert sich die Dynamik. Leider fühlen sich viele Bewerber nicht mehr verpflichtet, Absagen zu formulieren. Stattdessen melden sich die Kandidaten einfach nicht mehr.

Die Gründe für Ghosting sind vielfältig. Manche Jobsuchende erhalten spontan ein besseres Angebot. Oder sie wollten nur ihren Marktwert testen und haben die Bewerbung nicht ernst genommen. Ängstliche oder konfliktscheue Persönlichkeiten neigen ebenso zum „Verschwinden“: Wer nicht gelernt hat, eine Absage zu formulieren, stellt die Kommunikation lieber ein.

Ein weiterer Faktor, der das Ghosten ermöglicht, ist die digitale Distanz. Anonyme Mails, automatisierte Antworten, fehlende Telefonate – all das macht einen Bewerbungsprozess unpersönlich und austauschbar. Dadurch kann der Anreiz fehlen, sein Wegbleiben zu entschuldigen.

Ghosting ist in der IT-Branche weit verbreitet. Viele Informatiker bewerben sich aufgrund des Fachkräftemangels nicht aktiv, sondern lassen sich ansprechen. Der Impuls für ein Gespräch kommt oft aus Neugier, nicht aus echtem Wechselwillen. Wenn der erste Austausch nicht überzeugt, ist der stille Rückzug schnell beschlossen.
 

Tipps gegen das „HR-Ghosting“

Ghosting ist ärgerlich und nicht vermeidbar. Aber Sie können das Risiko senken, dass Sie wie eingangs beschrieben unerwartet vor einem leeren Bewerberstuhl sitzen. Diese Maßnahmen haben sich bewährt:
 

✅ Geschwindigkeit
In der IT entscheidet oft der Schnellste, nicht der Gründlichste. Bewerber, die drei Tage auf eine Rückmeldung warten, sind mit dem Kopf schon bei der Konkurrenz. Das bedeutet: Flotte Entscheidungen signalisieren Interesse. Verzögerung hingegen wirkt wie Desinteresse – und lässt Kandidaten abtauchen.
 

✅ Klarheit
Erklären Sie zu Beginn des Bewerbungsprozesses transparent, was die nächsten Schritte sind. Am besten zeigen Sie bereits auf Ihrer Website alle Abläufe im Detail. Denn Unklarheit treibt Bewerber in die Distanz.
 

✅ Beziehungsaufbau
Ein Bewerber, der sich gesehen, wertgeschätzt und wahrgenommen fühlt, verschwindet in der Regel nicht einfach. Pflegen Sie deshalb von Anfang an den persönlichen Kontakt. Rufen Sie zum Beispiel an, statt nur zu mailen.
 

✅ Company Culture
Vermitteln Sie ab der ersten Minute: „Du kannst ein Teil unseres Teams werden, lieber Bewerber!“ Geben Sie dazu Einblicke in die möglichen Aufgaben und in die Unternehmenskultur. Und stellen Sie Ihre Benefits und nicht nur das Gehalt in den Vordergrund.
 

✅ Imageaufbau
Das Employer Branding ist heute wichtiger denn je. Auf Ihrer Firmenwebsite und auf sozialen Medien – überall sollte ein Kandidat spüren, dass Ihr Unternehmen die beste Adresse für ihn ist. Und ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter dazu, dieses Image zu teilen – beispielsweise auf Instagram und LinkedIn.
 

✅ Feedbackkultur
Ermutigen Sie Bewerber, sich zu melden, selbst wenn sie sich anders entschieden haben. Machen Sie deutlich, dass eine Absage kein Bruch ist, sondern ein Zeichen des Respekts. Dieses Credo müssen auch Sie leben: Lassen Sie niemanden im Prozess ohne Antwort – selbst wenn es nicht passt.
 

✅ Candidate Experience
Gestalten Sie Ihre Bewerbungsverfahren so einfach wie möglich. Lange Formulare, ausufernde Tests und unklare Zeitpläne schrecken potenzielle Kandidaten ab. Zudem sollte Ihr Onboarding fortlaufend optimiert werden, damit neu eingestellte Mitarbeiter nicht in Versuchung geraten, sich spontan zurückzuziehen.
 

Fazit

Ghosting im Recruiting mag frustrierend sein. Doch das ernüchternde Verhalten der Bewerber ist kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Wer authentisch kommuniziert, Prozesse klar strukturiert und echte Beziehungen auf Augenhöhe aufbaut, kann dem Trend aktiv entgegenwirken. 

Zeigen Sie, dass hinter Ihrer Stellenanzeige ein echtes Interesse am Menschen steht – nicht nur an der perfekten Fachkraft. Denn wer sich wertgeschätzt fühlt, bleibt motiviert. Und wer die Motivation behält, wird vielleicht bald schon Ihr nächster Mitarbeiter.

Bilder: Adobe Stock

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